Für 10 € nasse Hunde, (2004)

Tracklist

01. Die Bar
02. Unten am See
03. Heute Nacht, ein ganzes Leben
04. Die Blüten
05. Das kleine Universum
06. Phenomerone
07. Babel (Der Wolf)
08. Swingtod
09. Politiker
10. Die Axt hervor
11. Nur ein Versehen

Für 10 Euro Nasse Hunde

Rent A Dog

Geschichten von der Scheibe Welt 2004

Die Zeiten sind mager und nehmen weiter ab, guter Rat ist teuer, Trost und Zigaretten auch. Sehen, wo man bleibt. Für die Gruppe kann das heißen, ihr neues Album „Für 10 Euro nasse Hunde“ nicht für mehr als € 10.- zu verkaufen. Kein Witz, aber mindestens ein Lächeln wert, denn preiswert ist hier nicht gleich billig!

11 Songs. Nasse Hunde, einer wie der andere, die man nicht vor die Tür geschickt hätte bei der Gesamtwetterlage, wären sie nicht sowieso schon draußen gewesen. Betrachten und erzählen, triefend. Triefen im übertragenen Sinne allerdings tut und tat es nie in der Arbeit von Bandkopf und Namensgeber Markus Maria , emotional auf schlichte und respektvolle Weise war es immer.

„ Für 10 Euro nasse Hunde“ ist das dritte -Album, von MM ursprünglich als lockeres Output für seine deutschen Lieder gedacht, als er noch auf Englisch mit M. Walking On The Water unterwegs war. Nach den ersten Sessions mit Drummer Frank Kaulhausen und Bassist Philip Lethen allerdings verkehrten sich die Prioritäten, als Trompeter Markus Türk dazu stieß, ging M. Walking und die Band kam. Eine „…Alternative zum Hochglanz, ein Standpunkt ohne Majorkompromisse“, hatte der Bandleader im Sinn, „deutsche Texte mit Abenteuern, Poesie, Liebe und Quatsch, schräg, schön, sentimental und böse, rauher Pop mit Jazz-Ambiente“. Nicht eben wenig. Geklappt hat es doch.

„ “ (1998), die CD im großen Pappa-Pack®-Cover, war ein flüssiger Achtungserfolg, die erste Auflage ging weg wie Rotwein, ein Video mit Werbespot-Innovator Charles Wilp (u.a. Afri Cola) blieb im Gedächtnis. 70 Gigs spielte die Band im gleichen Jahr, in kleinen Läden, Puffs und Pop-Spelunken, wo man noch fühlen kann, was man hört. Ein wichtiger Aspekt bei Musik, die so dicht vor die Leute tritt und einer, den nach dem schlüssigen Zweitling „Prepost“ (2001) nun mit ihrem dritten Album überzeugender als bisher auf Tonträger erzeugen konnten.

„ Die Bar“, der instrumentale Opener des Albums, gewissermaßen der Indoor-Hund hinter dem Ofen, ist warm, seltsam und seltsam vertraut. Wohltemperierte Trompete, dann wieder laut bis kurz vor’s Schmettern, rutschige Kontrabasslinien und ein paar Kleinigkeiten mehr aus der bimmeligen, surrenden Klangkiste des Postrock sind prägend für den Sound der Platte. Unaufdringlich opulente Streicher, ein Refrain mit hübscher weiblicher Zweitstimme, ein Wurlitzer, eine Mandoline – immer gibt es noch ein reizvolles Etwas, das die Konturen der rumpeligen -Songs schärft.

Hübsche und durchweg sinnfällige Zugaben, Vehikel für das, was im Kern natürlich bleiben: zuerst immer das Lied und die Band, Chansons mit laut swingenden Refrains und sporadisch akzentuierender Krachgitarre aus dem Off, ver-weillter Collegerock, gesanglich intoniert mit dem schnodderigen Charme des bürgerlichen Bohèmien:

„ Das Herz schlägt weiter, ein Krieg zieht vorbei gegen Ärzte und pünktliche Uhren. / Die nächste Krankheit ist schon dabei, sich zu wappnen gegen Pillen und Tinkturen. / Lasst uns einfach weiter warten, auf Uhren oder andere Leute starren / oder auf die mutigen Vögel, die bald in den Süden starten.“
(„Unten am See“)

Scheibe Welt, die so gar nicht auszusehen scheint wie jene, die wir kennen, ist nicht das All-umfassend Globale, es ist das Regionale, das Fassbare, die Molekularstruktur des Alltags. Eine Scheibenwelt wie aus den klugen Fantasyromanen Terry Pratchetts mag es nicht sein; grotesk ist sie wahrscheinlich nicht weniger. Worauf es ankommt, ist das Auge des Betrachters – das s’ zunächst, und dann auch unseres, denn draußen läßt einen diese Kombo nicht.

Aufgenommen und gemixt im Krefelder Dachapparat – nichts anderes als s Heim- und Wohnstätte -, ist „Für 10 Euro nasse Hunde“ in seiner unaggressiven, menschlichen Art beileibe keine beschauliche kleine Dachkammermusik geworden. MM ist ein Poet, der sich auf’s klare Wort versteht, rhetorische Fragen zum Status quo des arg entfremdeten Landes ausspricht („Hab’ ich das große Los gezogen, hier zu sein / getrennt von den Lieben, die ich niemals kannte?“) und jedem Widersacher noch ein halbes Lächeln nachschenkt:

„ Jetzt wart’ ich auf das Raumschiff mit den ganzen Präsidenten / die geruchsneutralen Profiwinker aus den Parlamenten. / Wo bleibt ihr, meine Freunde? Wohin habt ihr euch verpisst? / Ich hab’ gedacht, daß ihr mich zum Abschied nochmal küsst.“
(„Heute Nacht, ein ganzes Leben“)